News
Interview mit Tegla Loroupe
Startnummer 219 reserviert
22.09.1999
Tegla Loroupe (26) lief beim Rotterdam-Marathon 1998 mit 2:20:47 Stunden eine Weltbestzeit. Die Kenianerin hat zweimal den New-York- und dreimal den Rotterdam-Marathon gewonnen, beim 100. Boston-Marathon 1996 war sie Zweite. Nach einer glänzenden Bahnsaison, in der sie Landesrekorde über 3000 sowie 10.000 m, will sie beim Alberto BERLIN-MARATHON am nächsten Sonntag als erste Frau unter 2:20 Stunden laufen.Wissen Sie welche Startnummer für Sie reserviert ist?
Nein, das weiß ich nicht - vielleicht die 2 oder die 100?
Sie bekommen die Nummer 219 ...
Oh, die ist gut - doch vielleicht wäre die 218 besser! Aber ich wäre sehr zufrieden, wenn ich wirklich 2:19 Stunden laufen könnte. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr unter Druck setze. Auch eine Zeit unter 2:21 wäre etwas Besonderes.
Sie sind eine tolle Bahnsaison gelaufen und haben nebenher für den Marathon trainiert. Wie sehen Sie angesichts dieser Doppelbelastung die Chancen, wirklich unter 2:20 Stunden laufen zu können?
Eigentlich kommt der Start beim Alberto BERLIN-MARATHON zu früh, das ist sehr eng. Mir fehlen in der Vorbereitung auf den Marathon nach der Bahnsaison zwei Wochen. Ich habe für kürzere Strecken sehr viel Schnelligkeit trainiert und muss deswegen aufpassen, dass ich nicht zu schnell loslaufe. Deswegen will ich die erste Hälfte vorsichtig in 70 Minuten laufen. Wenn das Wetter gut ist und ich nicht müde werde, dann habe ich eine Chance, unter 2:20 Stunden zu laufen. Ich hoffe, der zeitliche Druck in der Vorbereitung macht sich nicht leistungsmindernd bemerkbar. Auf der anderen Seite habe ich zur Zeit eine Form wie nie zuvor. Und ich habe zum Beispiel auch in Sevilla während der WM für den Berlin-Marathon trainiert. Parallel zur Bahnsaison bin ich bis zu 200 Kilometer in der Woche gelaufen.
Warum haben Sie denn Berlin ausgewählt und nicht die späteren Rennen von Chicago oder Tokio?
In Berlin ist die Chance am besten, sehr gute Zeiten zu laufen. Die Strecke ist flach und schnell, die Stimmung durch die Zuschauer inspirierend. Ich hatte schon vor meinem ersten Marathon 1994 an einen Start in Berlin gedacht. Doch dann bin ich in New York gelaufen und habe gewonnen. Ursprünglich war ich in diesem Herbst auf den Amsterdam-Marathon im Oktober fixiert, doch das klappte nicht. Dann kam im Juli ein Last-Minute-Angebot aus Berlin. Deutschland ist meine zweite Heimat, aber ich bin hier noch nie ein großes Rennen gelaufen. In Detmold fragen mich Freunde schon lange, wann rennst du endlich mal beim BERLIN-MARATHON. Jetzt laufe ich, und sie fahren extra nach Berlin, um mich zu unterstützen.
Sie wurden bei der WM in Sevilla Dritte über 10.000 m. Was ist Ihnen wichtiger in diesem Jahr, die Medaille oder die Marathonzeit unter 2:20 Stunden?
Die Zeit unter 2:20 Stunden hätte für mich eine höhere Bedeutung als die Medaille. Denn ein solches Resultat hat noch keine Läuferin geschafft. Ich würde immer die Erste bleiben, die diese Leistung vollbracht hat. Und es wäre schön, wenn der Alberto BERLIN-MARATHON nach dem Rekord von Ronaldo da Costa auch die zweite Bestzeit bekäme.
Neben der Traumzeit haben Sie noch ein anderes Traumziel im nächsten Jahr.
Ja, es ist ein Traum, in Sydney den Marathon zu gewinnen. Ich hoffe, der kenianische Verband macht bei der Nominierung für den olympischen Marathon keine Schwierigkeiten und stört damit die Konzentration bei der Vorbereitung. Vor der WM hatten sie mir für die 10.000 m eine Nominierung zugesichert, dann haben sie mich nicht nominiert und schließlich durfte ich dann doch starten. Aber mein Sportsponsor musste meine Reisekosten übernehmen.
Sie machen sich seit Jahren stark für die kenianische Frauen-Leichtathletik. Hat sich etwas getan?
Es gibt Fortschritte. Wenn sie noch nicht sichtbar sind, ist das nicht die Schuld der Athleten sondern des Verbandes. Bei großen Meetings oder Meisterschaften haben diese Frauen keine Chance zu starten - sie werden einfach nicht nominiert. Warum startete zum Beispiel die 5000-m-Siegerin der kenianischen WM-Ausscheidung nicht in Sevilla? Wir haben in Kenia übrigens nicht nur Läufer, sondern auch Hochspringer, Weitspringer und Sprinter. Aber ihnen gibt der Verband keine Chance mit einer Nominierung. Und dann beklagen sich die Funktionäre, wenn es weniger Medaillen gibt als erwartet. Wir Athleten haben uns darüber schon oft beklagt. Aber wenn wir uns beschweren, wird das dann von Seiten der Fuktionäre in der Presse so dargestellt, dass unsere Manager schuld sind.
Sie kennen sich in Deutschland gut aus. Hier gibt es andere Probleme - viele Läufer rennen der Weltspitze weit hinterher. Woran liegt das?
In Deutschland haben die Sportler sehr gute Rahmenbedingungen. Sie haben alles was sie brauchen, um erfolgreich zu sein. Doch es gibt nur sehr wenige, die hart trainieren und Erfolg haben. Die meisten machen einfach zu wenig. Da gibt es eine gewisse Parallele zu einigen Kenianern, die erfolgreich waren. Wenn sie genug Geld haben, vergessen sie das Laufen.
Seit Sie 18 Jahre alt sind, verbringen Sie einen großen Teil des Jahres in Deutschland. Hatten Sie jemals Probleme auf Grund Ihrer Hautfarbe?
Nein, niemals. In Detmold kennen mich viele Menschen, die Atmosphäre ist sehr freundlich.
Sie sprechen auch ein bisschen Deutsch.
Ich kann nur etwas Deutsch sprechen. Aber das probiere ich nur in Detmold aus.
Weitere News
Noch mehr News finden Sie in unserem Newsarchiv

Anzeige
Anzeige