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Interview mit Wilson Kipketer

Ich freue mich, dass ich hier laufen kann"

15.09.1999

Wilson Kipketer wurde in Sevilla zum dritten Mal in Folge Weltmeister über 800 m. Seit 1997 ist er mit 1:41,11 Minuten auch Weltrekordler über diese Distanz. Nachdem der aus Kenia stammende Läufer, der seit 1997 die dänische Staatsbürgerschaft hat, im vergangenen Jahr an Malaria erkrankte und anschließend eine Lugenentzündung erlitt, schaffte der 28-Jährige in diesem Jahr mit dem WM-Titel und dem Gewinn des Golden-League-Jackpots ein eindrucksvolles Comeback.

Viele kenianische Weltklasseläufer sind zum Rennen gekommen, weil sie täglich lange Wege zur Schule laufen mussten - Daniel Komen, Moses Kiptanui oder Tegla Loroupe. Bei Ihnen war es anders.

Kipketer: Ja, das ist diese Geschichte. Die Leute denken, weil einige kenianische Läufer als Kinder zur Schule gerannt sind, ist das bei allen so. Aber in Deutschland müssen gute Fußballer ja auch nicht neben einem Fußballplatz aufwachsen. Also, es gibt auch Kenianer, die neben der Schule wohnten. So war es bei mir, ich brauchte nicht laufen, ich wohnte nebenan. Es gibt Kinder, die sehr weit zur Schule laufen müssen und trotzdem keine Läufer werden. Andererseits gibt es auch in Kenia Kinder, die mit dem Auto zur Schule gefahren werden und trotzdem schnell laufen können. Der Schulweg ist nicht so wichtig, entscheidend ist das Talent.

Wie wurde Ihr Talent entdeckt?

Kipketer: Ich bin schon in der Grundschule bei Wettkämpfen für die Schule gelaufen. Bereits damals sind wir 800- und 1500-m-Wettkämpfe gerannt oder auch eine Staffel über 2,5 km.

Sie waren in der in Kenia berühmten St. Patrick's School, aus der viele Weltklasseläufer hervorgegangen sind. Es heißt, Sie wurden damals nur aufgenommen, weil Sie sich bereit erklärten, in den Ferien das Schulgebäude zu streichen - stimmt das?

Kipketer: Das ist einerseits richtig, andererseits falsch. Es ist eine sehr lange Geschichte, die den Rahmen dieses Interviews sprengen würde.

Schon mit knapp 18 Jahren kamen Sie nach Dänemark, wie kam das?

Kipketer: Eine Gruppe dänischer Läufer kam nach Kenia. Und sie fragten mich, ob ich für ihren Klub Kopenhagen IF starten würde. Ich ging zum Studium nach Dänemark. Es hat allerdings einige Jahre gedauert, bis ich die Sprache konnte.

Sie sind inzwischen Däne, haben eine dänische Freundin und leben in Kopenhagen - andere Läufer ziehen in die ständige Wärme oder in die Höhe, um zu trainieren.

Kipketer: Wichtig ist, dass das Umfeld stimmt. Höhentraining ist für mich nicht wichtig, obwohl ich auch manchmal in der Höhe trainiere und aus Kapsabet komme, das rund 2100 Meter hoch liegt. Aber mit dem Höhentraining, das ist wie mit vielen Geschichten. Wenn man schlecht läuft, kann man nicht in die Höhe fahren, dort trainieren und denken, jetzt wird man automatisch gut. Höhentraining gibt einem keine Extra-Energie. Sebastian Coe oder Peter Elliott haben früher auch nicht in der Höhe trainiert und waren sehr erfolgreich. Das zeigt, dass es auf das Talent ankommt und wie man trainiert.

Wie trainieren Sie, laufen Sie gar nicht mehr in der Höhe?

Kipketer: Das ist ganz unterschiedlich. Mein Trainer Slavomir Nowak, der in Polen lebt, gibt mir die Programme vor, und in wichtigen Trainingsphasen ist er immer dabei. Es gibt unterschiedliche Ansätze, ich trainiere zwischen ein- und dreimal täglich und manchmal auch in der Höhe.

Sie haben Sebastian Coes 800-m-Weltrekord 1997 verbessert. Haben Sie damals vor rund 20 Jahren seine Läufe verfolgt, und haben Sie ihn inzwischen getroffen?

Kipketer: Ich möchte ihn gerne treffen, aber es hat bisher noch nicht geklappt. Als Sebastian Coe seine Weltrekorde lief, war ich noch zu klein, als dass ich mich wirklich dafür interessieren konnte. Außerdem hatten wir keinen Fernseher. Später habe ich von seinen Läufen gehört.

Sie haben sich im Januar 1998 mit Malaria infiziert. Haben Sie jetzt Angst vor Reisen nach Kenia, wie oft sehen Sie Ihre Familie?

Kipketer: Natürlich besuche ich weiterhin meine Familie, ich sehe sie etwa einmal im Jahr in Kenia. Ich habe keine Angst vor Reisen dorthin. Es kommt nicht darauf an, wo ich bin - krank werden kann man überall.

Wie sehen Sie im Nachhinein Ihren Weg zurück nach der Krankheit?

Kipketer: Ich musste ganz von vorne anfangen, es war ein Weg mit vielen Schwierigkeiten. Im Training konnte ich zunächst nicht rennen, sondern nur gehen. Aber ich wußte, dass man zurückkommen kann, das haben andere Sportler gezeigt, zum Beispiel an Steffi Graf oder Heike Drechsler. Ich musste mir viel Zeit lassen. Das war allerdings ein Problem, denn ich habe nach der starken Saison 1997 einen riesigen Erwartungsdruck gespürt, schließlich war ich Leichtathlet des Jahres. Deswegen habe ich doch mit zu viel Druck versucht, zurückzukommen.

Vor einem Jahr haben Sie dann das 800-m-Finale bei der EM verloren, doch in dieser Saison haben Sie schon fast wieder angeknüpft an die Weltrekordzeiten von 1997. Sie galten damals als der Läufer, der möglicherweise als Erster unter 1:40 Minuten laufen kann. Halten Sie das für sich noch für möglich?

Kipketer: Ich kann es nicht sagen. Es wird sicherlich möglich sein, eines Tages unter 1:40 Minuten zu laufen. Aber ich weiß nicht, wer das laufen wird und ob ich das vielleicht schaffen könnte. Ich muss noch etwas vorsichtig sein und darf das Training nicht zu sehr forcieren, deswegen weiß ich jetzt auch nicht, ob ich überhaupt jemals noch einen Weltrekord laufen kann.

Es gibt offenbar Pläne, die Golden-League-Serie auf acht beziehungsweise sogar zehn Meetings auszubauen. Was halten Sie davon, träfe das die Läufer nicht besonders hart?

Kipketer: Für mich als Läufer wäre es nicht so hart. Aber ich sehe mit der augenblicklichen Konzeption der Golden League andere Probleme. Ich beurteile das aus Athleten-, nicht aus Marketingsicht. Wir müssen bei dieser Liga auch an die jungen Sportler denken, die bisher kaum eine Chance haben. Sie sind schließlich die Stars von morgen. Athleten aller Disziplinen investieren sehr viel in ihre Karriere, auch in finanzieller Hinsicht. Da kann es nicht sein, dass manche Disziplinen gar nicht und andere nur alle zwei Jahre zum Golden-League-Programm gehören. Es muss eine Lösung gefunden werden, die alle berücksichtigt. Und dann die Sache mit dem Fernsehvertrag. Die Golden League ist für viele nicht sichtbar - wer in Afrika hat Canal Plus? Ich weiß, das ist eine große Sache, aber hier muss es Veränderungen geben, schließlich wollen wir mit dem Fußball konkurrieren.

Sie wirken in diesem Jahr viel offener als früher. Kollegen und Funktionäre, die mit Ihnen nach Ihrer Krankheit zu tun hatten, stellen fest, dass sich Ihre Persönlichkeit positiv verändert hat.

Kipketer: Früher war ich sehr ambitioniert, an die Spitze zu kommen, heute habe ich mehr Spaß am Laufen. Ich freue mich, dass ich nach meiner schweren Krankheit wieder laufen kann, und dass ich das mit ganzem Herzen hier machen kann und nicht auf dem Mond oder auf dem Pluto. Und für mich ist es heute sehr wichtig, dass wir die Kinder für unseren Sport motivieren.

Sie leben in Skandinavien. Haben Sie sich schon einmal im Skilanglauf versucht, können die Kenianer eines Tages auch in dieser Sportart ganz vorne sein?

Kipketer: Ich habe es noch nicht versucht, obwohl ich Kälte und Schnee inzwischen kenne. Wenn ich mit dem Laufen einmal aufhöre, dann möchte ich das Skilanglaufen ausprobieren. Die Kenianer haben sehr starke 10.000-m- und Marathonläufer, deswegen hätten sie sicherlich auch im Skilanglauf eine gute Chance, wenn sie das von guten Trainern richtig lernen. Ein Problem bleibt natürlich: in Kenia gibt es keinen Schnee.


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